Musik im Blut – Ein Interview mit Talpa

Goran Juric kommt aus Serbien und produziert mittlerweile seit 20 Jahren unter den Decknamen „Talpa“ und „The Riddler“. Wenn ihn ein Wort beschreiben sollte als Künstler, dann ist es in meinen Augen „Einzigartigkeit“, denn Talpa hebt sich mit seinen Produktionen definitiv von der breiten Masse ab. Im Interview erzählt Goran, wie er heutzutage zur Psytrance-Szene steht, welches Equipment er für seine Produktionen nutzt und wie man es schafft, seinen eigenen Musikstil zu entwickeln. Zusätzlich haben wir darüber gesprochen, wie schwierig es heute wirklich ist, sich als Künstler zu etablieren und welche Releases in Zukunft anstehen.


Die erste Idee für dein Projekt „Talpa“ entsprang im November 1999 auf einer Techno-Party. Drei Jahre später wurde das Musizieren zu deiner Hauptbeschäftigung. Ist das heute immer noch der Fall? Lebst du vom Produzieren oder hast du noch einen anderen Job nebenher?

In der Vergangenheit meistens ja. Aber es gab Momente, da habe ich ganz aufgegeben und überhaupt keine Musik gemacht.  Aber ich bin immer wieder zurückgekommen, weil mir die Musik schon immer im Blut lag. Es hat viele Jahre gedauert, bis ich endlich vom Musik machen leben konnte. Derzeit sind wir alle in einer Situation, in der Künstler kein Einkommen haben wegen der Pandemie. Selbst ich fing an darüber nachzudenken, ob das der Zeitpunkt sein könnte, an dem ich mich auf etwas anderes in meinem Leben konzentrieren und die Musik hinter mir lassen sollte… aber ich kann euch erleichtern: noch haben wir diesen Punkt noch nicht erreicht!


Kaum zu glauben, dass das schon 20 Jahre zurück liegt. Was hat sich in der Zeit geändert – in Bezug auf deine Einstellung zur Goa-Szene, der damit verbundenen musikalischen Entwicklung und natürlich deiner eigenen Entwicklung als Künstler?

Die Zeiten haben sich sehr verändert und ich bin mir nicht sicher, ob mir das gefällt. Psytrance ist populärer geworden, aber eigentlich ist es nicht Psytrance selbst, sondern eher einige Zweige davon. Mit der Zeit brachte es mehr Leute auf die Partys und Festivals und ich glaube nicht, dass es die richtigen Leute sind. Ich war immer der Meinung, dass Psytrance im Untergrund bleiben und sich aus dem Mainstream raushalten sollte. Ich habe schon oft riesige Tanzflächen mit großen Menschenmengen gesehen. Was die Musik selbst betrifft, so leben wir in einer Zeit, in der man mit einem Klick alles machen kann. Es ist viel einfacher geworden Musik zu machen, seine Arbeit den Leuten zu präsentieren und sich selbst zu promoten. Es gibt Antworten auf alle Produktionsprobleme auf Youtube. Aber wir haben auch wahnsinnig viel schlechte Musik mittlerweile, Nachahmer und unoriginelle Musik.


Ich schreibe derzeit meine Bachelorarbeit zum Thema „Die medientechnischen Entwicklungen in der Psytrance-Szene“ und gehe der Frage nach, inwiefern die sozialen Medien einen Einfluss auf die Szene haben. Wie stehst du zur Thematik, dass sich die Szene ja „so verändert hat“ durch Social Media und Co? Siehst du da eher die positiven Aspekte oder die negativen?

Ich bin sehr oldschool, wenn es um Social Media geht, und ich verbringe nicht viel Zeit damit. Ich habe das Gefühl, dass es zu viel Zeit in Anspruch nimmt. Soziale Medien sind für mich ziemlich nervig. Alle, auch ich, posten jeden Tag die gleichen Dinge, nur um das Gefühl zu erzeugen, dass wir jeden Tag präsent sind. Sonst vergessen die Leute einen. So sind die sozialen Medien mit Dingen aus dem Privatleben gesättigt, die mich überhaupt nicht interessieren. Auf der anderen Seite kann es nützlich sein, wenn wir etwas teilen und es sofort Tausende von Menschen erreicht. Für mich ist es also nur ein Mittel zum Zweck, um meine Musik oder Dinge, die zu meiner Musik gehören, zu promoten.


Ist es heutzutage als Künstler schwieriger geworden, sich am Markt zu etablieren und Erfolg zu haben? Ich meine bei der Fülle an guten, international bekannten Künstlern heute, ist es ja sicherlich schwierig, sowieso noch Platz auf einem Line-Up zu finden.

Es war schon immer schwierig, aber früher reichte gute Musik aus. Heute ist es mehr als nur Musik. Man kann die beschissenste Musik haben und trotzdem sehr beliebt sein. Die sozialen Medien spielen dabei eine große Rolle. Einige Leute werden deine Musik mögen, einige werden mögen, wer du bist und was du repräsentierst. Manchmal reicht ein einziger Hit aus, um sich auf den großen Line-Ups weltweit wiederzufinden. Ich schätze, von Zeit zu Zeit ist Glück im Spiel. Irgendwann vor vielen Jahren hatte ich genug von der ganzen Psytrance-Szene und allem, was damit zu tun hatte. Also hörte ich auf, Musik zu machen und sagte zu fast allen Partyveranstaltern „Nein“, wenn sie mich nach einem Gig gefragt haben. Ich war frustriert, also gab ich auf. Die Veranstalter kamen allerdings immer wieder zurück und die Leute wollten mehr, ich bekam bessere Angebote und auf einmal war ich fast überall.

Du kommst aus Serbien. Wie sieht die Szene bei euch aus?

Keine Ahnung um ehrlich zu sein, ich spiele überhaupt nicht in Serbien. (lacht)

In welchen Ländern hast du schon gespielt und wo spielst du am liebsten?

Mittlerweile habe ich in vielen Ländern gespielt, aber mein absoluter Favorit ist seit Anfang an Australien gewesen. Ich liebe die Menschen, die Atmosphäre, das Land, und ich kann nicht sagen, dass ich dort jemals eine schlechte Zeit hatte. Der einzige Nachteil ist, dass das Land so weit weg ist. Es gibt viele tolle Partys auf der ganzen Welt: Brasilien zum Beispiel, Israel und auch Schweizer Festivals sind mir sehr positiv in Erinnerung geblieben.

Ich habe das Gefühl, dass jeder international bekannte Künstler regelmäßig in Deutschland auflegt, weil wir hier – vor allem im Norden – eine sehr starke Szene haben. Woran liegt es, dass du kaum Gigs in Deutschland spielst? Es wäre zu geil, wenn du hier mal spielen würdest.

Diese Frage sollte man an die deutschen Veranstalter richten. (lacht) Aber meiner Meinung nach funktioniert meine Musik in Deutschland wahrscheinlich nicht gut. Deutschland ist das Land des Offbeats und der Musik mit Gesang. Und meine Musik ist ganz anders, also könnte das der Grund sein…

Künstler haben mittlerweile ja eine lange Zwangspause hinter sich. Hast du die Corona-Pause für dich nutzen können?

Ich habe mich sehr gefreut, zu Hause zu bleiben. Da ich nicht gerne reise, war das eine gute Gelegenheit, sich ein wenig auszuruhen und Zeit im Studio zu verbringen. Die meiste Zeit habe ich also einige Tracks fertiggestellt und viele neue angefangen. Aber nach etwa drei Monaten habe ich den Sinn komplett verloren. Ich hatte genug von Psytrance, also war es an der Zeit, etwas völlig anderes zu erschaffen. Folglich begann ich ein neues Album mit Chill- und Downtempo-Musik, mit Live-Instrumenten und Gesang. Ich bin sehr gespannt, wie es ankommen wird und kann es kaum abwarten, dieses Projekt zu beenden. Aber es braucht noch etwas Zeit, denn ich bin nicht der Einzige, der an diesem Projekt beteiligt ist.

Viele Leute waren interessiert daran und wollten wissen, wie du produzierst, weil du einen extrem einzigartigen Musikstil entwickelt hast. Das bleibt anscheinend in den Köpfen. Welche Synthesizer benutzt du und wie machst du deine Kicks?

Es ist sehr schwer, die Art und Weise, wie ich Musik mache, nur mit Worten zu erklären. Für mich persönlich muss es anders sein. Es muss sich nicht nur von anderen unterscheiden, sondern auch von meiner früheren Arbeit. Es ist nicht immer möglich, aber ich versuche, meinem Klang treu zu bleiben. Ich folge auch nicht den Trends, denn meistens gefällt er mir nicht wirklich. Ich versuche, etwas mit künstlerischem Wert zu schaffen. Ich kann nicht sagen, dass ich das immer schaffe, denn mein Wissen ist sehr begrenzt. Aber ich gebe mein Bestes, um etwas zu erschaffen, das immer ein bisschen anders ist als alles andere. Das Equipment, das ich benutze, ist meistens Software, denn ich besitze nur wenige analoge Geräte. Ich bevorzuge Software, weil der Workflow für mich effizienter ist. Und ich bin ein sehr schneller Mausklicker. (lacht) Für die Kicks benutze ich einfach nur Bazzism, schlicht und ohne irgendwelche Effekte.

Was war deine erste Soft,- und Hardware und hat sich an deinem Equipment etwas geändert mit der Zeit?

Meine erste Software war FastTracker, und dann ReBirth. Danach wechselte ich zu Acid 1 und benutzte es viele Jahre lang. Irgendwann hörten sie auf es zu aktualisieren und ich hatte keine andere Wahl, als eine andere DAW zu wählen. Jetzt verwende ich Cubase. Wenn es um Hardware geht, habe ich einige Standardsachen, die in den meisten Studios zu finden sind, wie zum Beispiel: Moog Subsequent, Nord Lead 4, Poly D, SSL-Fusion, Elysia EQ usw.

Wie sieht ein typischer Produktionstag bei dir aus? Probierst du einfach mal drauf los oder hast du immer ein überlegtes Soundkonzept, das du dann umsetzen möchtest?

Meine Arbeitsweise ist ziemlich mathematisch. Beim Mischen von Tracks verwende ich vor allem Zahlen. Ich vertraue Zahlen mehr als meinen Ohren. Das Arrangement hängt von der Hauptidee ab, aber 90 % der Tracks beginnen mit Kick and Bass und dann füge ich Sounds hinzu. Ich halte mir das Ende gerne für einen Twist oder etwas Unerwartetes offen, manchmal sogar ohne Bezug zum Rest des Tracks. Ich wiederhole mich nicht gerne. Das Hören anderer Musikstile hilft mir, die Idee für das Stück oder einen Teil davon zu entwickeln. An manchen Tagen ist es eher so, dass ich immer wieder dieselbe Schleife höre, ohne Fortschritte zu machen. Was ich wirklich hasse, sind Intros. Sie sind bei mir immer das Letzte im gesamten Prozess.

Nicht zuletzt kommt da natürlich die Frage auf, wie man es schafft, so ein einzigartiges Sound-Design zu erschaffen? Ich denke, der größte Glücksmoment im Leben eines Künstlers ist es, dass die Leute anfangen zu erkennen, dass der Sound von dir ist und die Tracks sofort wiedererkennen. Ich kann nur aus meiner Erfahrung sprechen, aber ich finde, dass es nur recht wenige Künstler gibt, die man sofort raushört. Dazu zähle ich zum Beispiel dich, W.A.D, Fabio Fusco und mittlerweile auch Jilax.

Es ist nicht wirklich schwer, originell zu sein, wenn man seine eigenen Vorlieben hat und sich daran hält. Man hört weniger auf andere und auf das, was populär ist. Schotte dich ein Jahr lang auf einer einsamen Insel ab, ohne Internet und ohne die Möglichkeit, Musik zu hören… und ich bin sicher, dass dir etwas Originelles einfallen wird.

Mit welchen Künstlern hast du schon zusammengearbeitet und welche Kooperation hat dir am meisten Spaß gemacht?

Ich bin ein Einzelgänger, in fast allem in meinem Leben, und so erziele ich die besten Ergebnisse. Aber ich habe mit einigen großartigen Künstlern wie Zyce, Flegma, Align, Purple Hayes oder Vice zusammengearbeitet. Es gab auch einige Versuche mit anderen Künstlern, aber am Ende kam dann doch nichts dabei zustande.

Welcher Sound gefällt dir persönlich eigentlich am besten von den ganzen Künstlern weltweit und wer hat deinen Sound in der Vergangenheit am meisten beeinflusst?

Heutzutage … hmm, ich mag Freedom Fighters, Gaudium, Ritmo, aber die meiste Zeit höre ich kein Psytrance. Ich liebe Pink Floyd, die Disco-Ära der 80er Jahre, Boris Brejcha, Elektro-Swing, Trentemoller, Royksopp usw…

Deine letzte EP „Telema“ kam erst vor kurzem raus. Welche Releases und Kollaborationen stehen in naher Zukunft an?

Das nächste Release sollte im Oktober erscheinen und es wird ein Track mit Ritmo sein, eine süße Mischung aus Ritmo- und Talpa-Sound. Im November wird ein weiterer Track mit Align erscheinen. Und dann hoffentlich mein neues Album, aber ich bin nicht sicher, ob es unter dem Namen Talpa veröffentlicht wird… vielleicht findet sich bis dahin ein anderer Name. Wir werden sehen, es ist noch in der Entstehungsphase.

Wie hätte dein Festivalsommer ausgesehen, wenn es Corona nicht gegeben hätte?


Viel Schwitzen und Roadtrippin’ auf der Straße. Ich hasse den Sommer und bevorzuge lieber den Winter. (lacht) Ich bin mir sicher, es wäre wie immer gewesen – nichts allzu Spektakuläres in Bezug auf neue, unbesuchte Orte. Es gab nichts Neues in der Reiseroute, die sehr den alten Reisezielen gleicht. Aber ich vermisse es, einige gute alte Gesichter und tanzende Menschen auf der ganzen Welt zu sehen. Sehr seltsame Zeiten und ich hoffe, dass sie bald zu Ende gehen!


SoundCloud: https://soundcloud.com/talpator
Facebook: https://www.facebook.com/talpaproject

Beitragsbild: Goran Juric

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