Daniel Lee ist gebürtiger Brasilianer, kommt aus Zürich und hat bereits mit Artists wie Azkaban, Mad Fusion, Pitch Bend, Deep Kontakt und Kleysky zusammengearbeitet. Seit drei Jahren produziert er leidenschaftlich für seine Projekte „Phazed“ und „Locomotion“ und ist seit kurzem stellvertretender CEO von KF Records. Ich habe mit dem 26-jährigen Schweizer über seine bisherigen Meilensteine, Kollaborationen und seine Arbeit bei KF Records geredet. Zudem verrät Daniel im Interview, wie es zu einem Label-Release kommt und wie sein persönlicher Produktionsverlauf aussieht.
Hey Daniel. Wie ist die Lage? Wie sehr beeinträchtigt dich Corona gerade und wie sieht dein Tagesablauf derzeit aus?
Danke der Nachfrage, Denise. Da es mir und meiner Familie gut geht und alle gesund geblieben sind bisher, ist alles gut. Natürlich fehlt ein auf eine Art und Weise die Routine der Gigs und allgemein der persönliche Kontakt mit anderen, aber da müssen wir jetzt alle durch. Ich bin froh, dass es bei uns in der Schweiz langsam wieder losgeht mit kleinen Events unter bestimmten Auflagen und Anforderungen.
Du hast am 10. April deinen ersten Live-Stream gestartet. Wie war das Feedback und wie stehst du zu der neuen Möglichkeit, seine Musik auf diesem Wege zu präsentieren?
Das Feedback war sehr gut. Ich war ziemlich nervös, da ich zum ersten Mal gestreamed habe und die Kamera die ganze Stunde genau auf mich gerichtet sein würde, aber das positive Feedback hat mich dann beruhigt. Ich habe einige gute Tipps bekommen, um den nächsten Stream noch besser zu präsentieren. Die Livestreams sind eine gute Marketingmaßnahme für Künstler, deshalb ist das schon eine coole Sache.
Du produzierst jetzt ungefähr seit drei Jahren. Wie bist du zum Produzieren gekommen und was waren die größten Meilensteine in deiner Karriere bis jetzt?
Ich hatte schon immer ein großes Interesse an der elektronischen Musik. Mit dem DJ’ing habe ich vor 7-8 Jahren angefangen, als mich ein sehr guter Arbeitskollege dazu brachte. Er war es auch, der mir diese ganze Welt der Musikproduktion gezeigt hat, da er selbst ein Producer und DJ ist. Zu Beginn bestand meine „DJ Karriere“ nur aus Solo-Gigs Zuhause im Bunkerkeller und gelegentlich habe ich auf Geburtstags,- oder Homepartys gespielt. Nach kurzer Zeit begann ich mich auch vertieft für die Produktion zu interessieren. Ich habe immer wieder verschiedene Musikprogramme getestet und einfach mal Sachen ausprobiert. Vor ca. drei Jahren habe ich mich dann entschlossen ein Projekt zu starten. Der erste Meilenstein kam dann recht schnell mit meinem Upload „Journey To Egypt“. Ich wurde bereits da von KF Records angefragt und aufgenommen. Ich erhielt viel positives, aber auch konstruktives, kritisches Feedback. Dieser frühe Push von KF Records und die vielen Gigs, die mir dadurch ermöglicht wurden, haben mich extrem motiviert – nicht nur damals, sondern auch heute noch. Ein weiterer großer Meilenstein war mein Auftritt auf dem Newcomer-Floor der Raumklang 2017. Ein Jahr später, 2018, durfte ich dann den Mainfloor auf dem Raumklang Christmas Special eröffnen. Auch meine Auftritte auf dem Burning Mountain und der Mystica waren sehr prägende Momente in dieser frühen Zeit.
Wenn man sich deine Sammlung an Tracks mal anschaut, sieht man, dass du ziemlich viele Kollaboration mit anderen Künstlern wie zum Beispiel Azkaban, Kleysky, Pitch Bend oder Lovegun hast, aber auch viele Remixe und Eigenproduktionen. Was macht dir am meisten Spaß?
Ich setze mir nie irgendwelche Grenzen oder Einschränkungen wenn es um Originals, Remixe oder Collaborations geht. Bei Originals ist man flexibler und hat mehr Möglichkeiten seine Story und den Track so rüberzubringen, wie man es sich vorstellt. Aber es gibt auch Momente, in denen ich etwas höre und sofort die Ideen dazu funken. Die Collaborations bringen immer frischen Wind an Ideen und Inspirationen und man tauscht sich über verschiedene Techniken aus. Dadurch lernt man natürlich enorm viel dazu.
Welche Kollaboration hat dir bisher am meisten Spaß gemacht und welcher Artist steht ganz oben auf deiner Liste, mit dem du gerne mal zusammenarbeiten würdest?
Ich denke die Collaborations mit Azkaban sind mir bisher am stärksten in Erinnerung geblieben. Wir sind einfach immer auf einer Wellenlänge, pushen uns ständig und während ihrer Gigs in Europa waren sie eine Woche bei mir Zuhause untergebracht. Während dieser Zeit waren wir stundenlang im Studio und haben drei Collabs gestartet, zwei davon fertig gestellt. Auch der Sound von Pitch Bend war für mich seit Projektbeginn ein starker Einfluss und als ich diese zwei Collabs mit Ihnen realisieren durfte ging für mich ein großer Wunsch in Erfüllung. Aber bisher war jede Collab für mich ein persönlicher Meilenstein, egal mit welchem Artist. Jede Zusammenarbeit ist etwas Neues, eine Abwechslung und ein Motivationsboost. Der Artist, mit dem ich momentan am liebsten zusammenarbeiten würde, ist Vegas. Ich habe bereits Kontakt mit ihm aufgenommen und warte noch auf seine Antwort bezüglich einer möglichen Collaboration. Wenn das klappt, kommt da ein Bomben Track.
Welcher Track ist von deinen eigenen Produktionen dein persönlicher Favorit?
Mein momentaner Favorit meiner Eigenproduktionen ist „Emotions“. Wie der Name eigentlich schon sagt ist das ein Track, in dem viele Gefühle und Gedanken stecken. Ich habe sie zu dieser Zeit am besten durch den Track zum Ausdruck bringen können.
Du hast schon auf einigen Labels releast: Upward Records, Prog Box Digital, Alien Records, Progstylez Records, Juicy Noise Records und auch Blue Tunes Records. Wodurch entscheidet sich, auf welchem Label du deine Tracks veröffentlichst? Sendest du den fertigen Track an einige Labels und schaust, wer ihn releasen möchte?
Ich denke als Artist versucht man immer sich weiterzuentwickeln und sein Projekt an ein breiteres und neues Publikum zu bringen. Bei den Label-Releases ist es genauso. Bei jedem Label spricht man ein unterschiedliches Publikum an, daher war für mich immer wichtig mich nicht nur auf ein Label zu fokussieren, sondern neue Labels kennenzulernen, mit neuen Menschen zusammenzuarbeiten und mich mit den Artists innerhalb des Labels auszutauschen. Die Entscheidung, ob ich ein Label-Release oder einen Free Download mache, fällt eigentlich immer recht spontan. Wenn ich mich für ein Label-Release entscheide, schicke ich den Track an das jeweilige Label. Wenn der Track angenommen wird ist der nächste Schritt das Art-Cover für das Release erstellen zu lassen und natürlich ein Release-Datum zu finden. Die Aufgabe des Artworks und Masterings übernimmt meist das Label. Oftmals steht es einem offen, ob man das über das Label machen will oder es selbst übernehmen bzw. jemanden damit beauftragen möchte. Ich hatte aber auch schon mit Labels Kontakt, die Geld dafür verlangt haben. Das unterstütze ich aber nicht und ich rate auch anderen Künstlern davon ab.
Ich finde, dein Sound hat sich seit Beginn sehr verändert und hat qualitativ einfach das nächste Level erreicht. Was war der ausschlaggebende Faktor für deinen musikalischen Fortschritt?
In meinen Augen war der ausschlaggebende Faktor ohne Zweifel all die investierten Stunden in mein Projekt. In der Musik sind einem so viele kreative Möglichkeiten gegeben, dass man praktisch nie auslernt. Auch wenn du endlich deinen ersten guten Bass hinbekommen hast, vielleicht kannst du auf andere Weise ein noch besseres Resultat erzielen. Ich lerne auch heute noch jeden Tag neue Dinge oder Techniken dazu oder höre von einem neuen Synth oder Effekt-Plugin, das ich dann unbedingt ausprobieren will. Diese Neugierde ist es, was mich jeden Tag erneut motiviert.
Wie sieht dein Produktionsverlauf so aus? Mit welcher Soft- und Hardware arbeitest du?
Eine wirkliche Routine habe ich nicht, aber meistens beginne ich mit der Idee für den ersten Drop oder den Main-Break und baue dann darauf auf. Die Ideen für die Tracks kommen meist spontan, zum Beispiel auf der Arbeit, beim Zocken oder, was bestimmt jeder Producer kennt, kurz vor dem Einschlafen. (lacht) Der Track „Spartan Odyssey“ ist inspiriert durch das Assassins Creed Odyssey Spiel. Wir haben dazu Sounds aus dem Spiel geschnitten und mit Effekten dann im Track verwendet, um die Story und die Atmosphäre aus dem Game besser rüberzubringen. Meine DAW ist seit Beginn FL Studio. Ich habe mir damals eine Lizenz gekauft und momentan bin ich auf FL Studio 20 unterwegs. Meine Hardware besteht aus einem Windows PC, einer Komplete Audio 6 Soundkarte, ein paar M-Audio BX8 Monitoren und einem kleinen MIDI Keyboard.
Neben deiner Arbeit als Produzent bist du seit Anbeginn auch Teil von der KF Records Crew und mittlerweile stellvertretender CEO. Welche Aufgaben übernimmst du dort? Hast du auch noch ein finanzielles Standbein außerhalb vom musikalischen Bereich?
Ja, ich habe vor kurzem angefangen bei KF Records als Stellvertretung für unseren Label-Head zu arbeiten. Da mich das Label schon seit Beginn pusht und ich mit der ganzen Crew eine enge Freundschaft pflege, liegt mir die Arbeit dort sehr am Herzen. Neben dem Verwalten der Releases gehören auch tagtägliche Sachen zu meiner Arbeit wie Social Media Postings, das Artist-Network expandieren oder neue Wege finden, um uns besser zu vermarkten. Erst vor kurzem habe ich uns ein Release gesichert von einem Newcomer aus Brasilien. Ich freue mich schon mega auf das Release und bin mir sicher, dass der Track gut ankommen wird. Oftmals werden wir für Releases angefragt, aber logischerweise nutze ich auch mein Freundesnetzwerk und versuche sie mit an Bord zu holen. Zudem sind wir in der Vorbereitung, um bald mit weiteren Releases zu starten. In den letzten Jahren sind soziale Netzwerke extrem wichtig geworden, worauf wir ebenfalls einen Fokus legen wollen, um unser Label zu repräsentieren. Außerhalb der Musik arbeite ich Teilzeit bei einem kleinen Transportunternehmen. Dadurch bleibt mir genug Zeit für die Musik, aber gleichzeitig sichere ich mir damit auch ein festes finanzielles Standbein.
Du hast noch ein Zweitprojekt namens „Locomotion“. Wie entstand die Idee dazu und auf welche Releases können wir uns in Zukunft freuen?
Das Projekt kam zustande, weil ich schon immer eine große Zuneigung für Offbeat hatte. Zusätzlich wollte ich ein Projekt haben, das sich im Sound-Style klar unterscheidet von PhaZed. Ich habe das Projekt gestartet, um hauptsächlich meine Gefühle und Gedanken, die ich in schwierigen Situationen im Leben hatte, auszudrücken. Da ich momentan komplett auf mein PhaZed-Projekt fokussiert bin, steht das andere Projekt momentan still. Ich habe aber vor es in naher Zukunft wieder aufzunehmen und neue Tracks zu releasen.
Gerade jetzt hat ein Künstler natürlich viel Zeit für neue Produktionen. Welche neuen Tracks stehen für „PhaZed“ in der Pipeline?
Vor kurzem habe ich meine neue Collaboration mit Mad Fusion released, ein Track auf den ich sehr stolz bin. Auch mit Crazy Box, dem neuen Projekt von einem der Azkaban Producer, habe ich einige Tracks in Arbeit. Einen genauen Release-Plan habe ich nicht, aber es kommen dieses Jahr noch eine Menge neuer Tracks!
Wie würde dein Leben und vor allem auch die nächsten Monate jetzt aussehen, wenn es Covid-19 nicht geben würde?
Wenn diese Pandemie nicht wäre, hätte ich meine ersten Gigs in Brasilien gehabt. Seit Anfang des Jahres bin ich Teil des BRBookings Agency-Teams und wir waren bereits im Gespräch mit einigen Festivals. Das wäre für mich natürlich ein wahr gewordener Traum gewesen, weil ich selbst Brasilianer bin. Aber auch in Deutschland hätte ich angefangen Fuß zu fassen. Ich hatte zwei Gigs, die natürlich gecancelled wurden, als die Pandemie ernster wurde.
Was denkst du, wie das Leben nach Corona aussehen wird? Was wird sich vor allem auch für Künstler dadurch ändern? Siehst du nur Risiken oder auch Chancen?
Ich denke, die Vorsichtsmaßnahmen werden uns noch lange beschäftigen. Zum Glück haben wir in der Schweiz bereits die ersten Lockerungen solcher Maßnahmen im Event-Bereich. Der Impact auf unsere Szene durch Corona ist extrem und ich hoffe, dass wir alles bald überwinden. Welche Änderungen es für uns geben wird werden wir sehen.
Verdoppeln wir die Zeit deiner Karriere mal vom jetzigen Zeitpunkt aus. Wo siehst du dich in drei Jahren?
In drei Jahren möchte ich so weit sein, dass ich mich komplett der Musik widmen kann. Ich lebe nach dem Motto: „If you can dream it, you can do it.“ Imaginäre Grenzen setzen kannst immer nur du selbst, denn Grenzen sind reine gedankliche Konstrukte. Ich habe schon immer einen Weg gesucht mich kreativ auszudrücken und mit der Musik fand ich die perfekte Möglichkeit dafür. Es gibt für mich nichts, was mich mit mehr Freude erfüllt, als der Moment, wenn ich endlich den Track live spielen kann, an dem ich so lange gearbeitet habe und die Menschen dazu tanzen sehe.
Beitragsbild: mystical pics.ch | sandro-fotografie.ch
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